Anders als z.B. bei der durch Gesetz sanktionierten Aussetzung von Mietzahlungen, hat der Gesetzgeber keine Sonderregelungen zu Betriebsrentenanpassungen beschlossen. Die Überprüfung von Betriebsrentenanpassungen hat damit trotz Corona gemäß § 16 BetrAVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu erfolgen. In dieser Ausgabe der PBG-Info beleuchten wir, ob wirtschaftliche Auswirkungen der Pandemie das Ausbleiben der Betriebsrentenanpassung rechtfertigen können.

 

Wirtschaftsdaten auf Talfahrt

Die Regierung spricht von der größten Herausforderung seit dem Ende des zweiten Weltkrieges und geht von einer Verringerung der Wirtschaftsleistung in 2020 um 6,1 % aus. Die Bundesagentur für Arbeit meldet im Mai 2020 2,813 Mio. Arbeitslose, 577.000 mehr als vor einem Jahr. Außerdem sei jeder Dritte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte von Kurzarbeit bedroht. Im Mai erhöhten sich die gemeldeten Fälle der Kurzarbeit von 10,66 Mio. um nochmals 1,06 Mio. auf über 11,7 ein historischer Höchststand. In der Finanzkrise 2008/2009 verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit zwischenzeitlich maximal 1,47 Mio. Kurzarbeitsverhältnisse.

Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen fragen sich die Unternehmen, ob die Betriebsrenten angepasst werden müssen, wenn die Arbeitnehmer aufgrund von Kurzarbeit Einkommensverluste hinnehmen müssen, oder Gehaltsanpassungen ausgesetzt sind, wie z. B. in der Metallindustrie durch den Tarifvertrag „Solidarpakt“.

 

Es bleibt bei der Anpassungsprüfungspflicht nach dem Betriebsrentengesetz

Wie eingangs erwähnt, wurden als Folgen der Pandemiebekämpfung keine Erleichterungen für Unternehmen beschlossen, die die Anpassung von Betriebsrenten betreffen. Gesetz und umfangreich entwickelte Rechtsprechung im Bereich der Anpassungsprüfung gelten unverändert fort und lauten im Grundsatz wie folgt:

Betriebsrenten, die sich auf eine Direkt- oder Unterstützungskassenzusage begründen, sind im Drei-Jahres-Rhythmus auf eine Anpassung in Höhe des Anstiegs des Verbraucherpreisindexes (§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1) oder in Höhe des Nettolohnanstiegs vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum (§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2) zu überprüfen.

Die Anpassungsprüfungspflicht gilt als erfüllt, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, die Betriebsrenten jährlich um 1 % zu erhöhen. Bei der 1 %-igen Anpassungsgarantie gibt es somit keine Diskussion. Sie muss ungeachtet der wirtschaftlichen Verhältnisse beim Unternehmen immer erfüllt werden.

Des Weiteren sieht das Betriebsrentengesetz vor, dass unabhängig von der Höhe des tatsächlichen Anstiegs des Verbraucherpreisindexes die Rentenerhöhung immer auf den Nettolohnanstieg vergleichbarer Arbeitnehmergruppen im Unternehmen begrenzt werden kann. Der Vergleich von Nettolohnanstieg und Anstieg des Verbraucherpreisindexes hat dabei immer über den gesamten Prüfungszeitraum vom Rentenbeginn bis zum jeweils aktuellen Anpassungsprüfungsstichtag und nicht nur über den dreijährigen Prüfungszeitraum zu erfolgen. Dadurch übersteigt der Nettolohnstieg in der Regel den Anstieg des Verbraucherpreisindexes. Die Begrenzung läuft damit ins Leere.

 

Abwägen der Belange der Betriebsrentner und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens

Bei der Beurteilung, ob die Betriebsrenten um den Anstieg des Verbraucherpreisindexes erhöht werden müssen, hat das Unternehmen eine Ermessensentscheidung zu treffen. Es sind die Belange der Betriebsrentner und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu berücksichtigen.

Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens muss am Anpassungsstichtag die Ertragssituation über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren auf Basis der handelsrechtlichen Abschlüsse der vergangenen Jahre prognostiziert werden. Eine Aussetzung der Rentenanpassung ist nur dann gerechtfertigt, wenn aufgrund der Prognose davon ausgegangen werden muss, dass die aus der Rentenerhöhung entstehende Mehrbelastung des Unternehmens nicht aus den künftigen Erträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag finanziert werden können.

Alleinig durch eine pauschale Argumentation aufgrund des durch die Corona-Krise ausgelösten konjunkturellen Einbruchs kann die Aussetzung der Rentenerhöhung nicht gerechtfertigt werden.

 

Prognoseentscheidung

Die Rechtsprechung hat verschiedene Prüfkriterien entwickelt, die im Rahmen der nötigen Prognose Beachtung finden. Logischerweise haben der Erhalt des Betriebes und der Arbeitsplätze Vorrang vor einer Rentenanpassung. Um den Werterhalt des Unternehmens zu gewährleisten und eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens nicht zu gefährden, kann weder verlangt werden, dass die Rentenpassung über Schulden oder durch Rückgriff auf das Eigenkapital finanziert werden. Eine angemessene Eigenkapitalrendite und der Wiederaufbau von Eigenkapital nach Eigenkapitalverlusten hat ebenfalls Vorrang vor Rentenerhöhungen.

So griffig die entwickelten Prüfkriterien klingen, in der Praxis trifft die Unternehmen die Darlegungs- und Beweislast, dass die getroffene Ermessensentscheidung die ausbleibende Anpassung trägt. Die erforderliche qualitative Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung auf Basis handelsrechtlicher Jahresabschlüsse erfordert in der Regel eine detaillierte Bewertung einzelner Bilanzpositionen, die häufig die Unterstützung durch einen Wirtschaftsprüfer erfordert. Zudem kommt: Bereits nach aktueller Rechtsprechung sind die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse zu korrigieren, wenn sie für die Prognose nicht geeignete Positionen beinhalten.

Das Ausmaß der Corona-Krise kann bei anstehenden Rentenanpassungsüberprüfungen daher nicht unbeachtet bleiben. Eine verlässliche Prognose allein anhand der zurückliegenden Jahresabschlüsse ist bereits deshalb nicht möglich, weil die künftige gesamtwirtschaftliche Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Unternehmenssituation nicht möglich sind. Noch lässt sich nicht zuverlässig beurteilen, ob aufgrund einer bisher festgestellten Zahl von Infizierten eine Erholung der Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2020 erfolgen könnte. Das Risiko erneuter Beschränkungen bei wieder ansteigenden Infektionszahlen kann die wirtschaftliche Erholung über einen Zeitraum von mehreren Jahren strecken. Die explosionsartig angestiegenen Kurzarbeiterzahlen können eine hohe Arbeitslosigkeit nach sich ziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erholung der Wirtschaft nicht in gleichem Tempo stattfinden wird, wie ihr Einbruch, und die Tatsache, dass die Auswirkungen nicht nur auf einzelne Branchen beschränkt sind, fordern geradezu, dass der bisher nur im ersten Halbjahr bekannte (messbare), coronabedingte konjunkturelle Einbruch wesentliches Prüfkriterium jeder Anpassungsentscheidung eines von der Corona-Krise betroffenen Unternehmens ist.

 

Unsere Empfehlung

Unseres Erachtens können die Auswirkungen der Corona-Krise in den Unternehmen eine Aussetzung der Rentenanpassung durchaus rechtfertigen, da nicht zuverlässig von einem in 2020 auftretenden singulären Ereignis ausgegangen werden kann, und damit auch die Jahre des folgenden Anpassungszeitraums in einer aktuell nicht zuverlässig einschätzbaren Art und Weise beeinträchtigt sein werden. Eine zu Recht unterbliebene Anpassung muss an künftigen Anpassungsstichtagen auch nicht nachgeholt werden. Aufgrund der unsicheren künftigen wirtschaftlichen Entwicklung könnten sich Unternehmen aber freiwillig bereit erklären, bei einer raschen wirtschaftlichen Erholung die Renten außerplanmäßig in 2021 oder 2022 zu erhöhen.

 

Diesen Artikel als PDF herunterladen: