Die externe Teilung im Versorgungsausgleich ist verfassungskonform. So der Tenor des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 26.05.2020[1]. Aber: Übersteigen die Transferverluste 10 %, muss der Versorgungsträger drauflegen. Versorgungsträger ist in diesem Fall der Arbeitgeber.

 Teilung im Versorgungsausgleich - Halb und halb gibt es nur bei Klößen

Seit mit der Strukturreform des Versorgungsausgleichs in 2009 die Teilung der in der Ehezeit erworbenen Anrechte im Zeitpunkt der Scheidung zu erfolgen hat und nicht mehr erst bei Rentenbeginn, wie nach dem bis dato geltenden Recht, ist hierfür die interne oder externe Teilung von Versorgungsanrechten möglich.

Die vom Gesetzgeber favorisierte interne Teilung (§ 11 VersAusglG) sieht vor, dass für den ausgleichsberechtigten Ehegatten bei dem Versorgungsträger der Altersversorgung des Ausgleichspflichtigen ein Versorgungsanrecht begründet wird. Bei vom Arbeitgeber erteilten Direktzusagen bedeutet dies, dass eine betriebsfremde Person – der geschiedene Ehegatte - in das Versorgungssystem aufzunehmen und bis zur letzten Rentenzahlung zu verwalten ist.

Um dem zu entgehen, können die Arbeitgeber die externe Teilung (§ 14 VersAusglG) wählen. Bei Direkt- oder Unterstützungskassenzusagen kann gemäß § 17 VersAusglG das ehezeitliche Versorgungsanrecht bis zu einem Ausgleichswert in Höhe der bei Eheende geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (2020 = 82.800 €) bei einem externen Versorgungsträger, z. B.  bei der als Auffanglösung geschaffenen Versorgungsausgleichskasse, begründet werden.

Berechnung des Ausgleichswertes und Grenzen des Transferverlusts

Die Berechnung des Ausgleichswerts durch den Arbeitgeber erfolgt mit dem Sieben-Jahres-Durchschnittszins[2] für die handelsbilanzielle Bewertung der Versorgungsverpflichtung. Die Versorgungsausgleichskasse hat ihrer Kalkulation den Höchstrechnungszins der Lebensversicherer von aktuell 0,9 % zugrunde zu legen. Die sich daraus aufgrund der Zinsdifferenz, der konservativen Rechnungsgrundlagen und der Kosten ergebenden Transferverluste in Form einer verminderten Rente für den Ausgleichsberechtigten veranlassten das Oberlandesgericht Hamm die externe Teilung für verfassungswidrig zu halten und diese Frage nach der Verfassungskonformität dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen[3]. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungskonformität mit Hinweis auf eine notwendige verfassungskonforme Auslegung der externen Teilung jedoch bejaht.

Die externe Teilung ist somit weiterhin möglich, die Transferverluste dürfen im Einzelfall aber nicht mehr als 10 % betragen, und zwar unter der Annahme identischer biometrischer Faktoren, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung mehrfach betont.

Damit lässt sich festhalten, dass der sich für den ausgleichsberechtigten Ehegatten ergebende Rentenbetrag auch in Zukunft durchaus mehr als 10 % unter dem Wert des Anspruchs des Ausgleichspflichtigen liegen kann, soweit diese Differenz auf biometrische Faktoren wie Alter oder Geschlecht zurückzuführen ist.

Was bedeutet das für die Praxis in den Unternehmen?

Es sind die Familiengerichte, die die verfassungskonforme Auslegung der externen Teilung gewährleisten müssen. Dafür benötigen sie Auskünfte des Versorgungsträgers aber auch des vom Ausgleichsberechtigten gewählten Zielversorgungsträgers.

Der Versorgungsträger wird wie bisher den Ausgleichswert beauskunften. Damit das Familiengericht feststellen kann, ob der Transferverlust mehr als 10 % beträgt, muss zunächst anhand des Ausgleichswertes beim externen Versorgungsträger die Höhe des Versorgungsanspruchs unter der Annahme identischer biometrischer Annahmen von Ausgleichspflichtigem und Ausgleichsberechtigten berechnet werden. Dazu müsste der Ausgleichsberechtigte seinen Zielversorgungsträger wählen und zunächst eine Berechnung des Zielversorgungsträgers mit den biometrischen Merkmalen des Ausgleichspflichtigen beibringen. Das Versorgungsausgleichsverfahren könnte  jedoch erheblich vereinfacht und zeitlich verkürzt werden, wenn die Berechnung unabhängig vom tatsächlichen Zielversorgungsträger pauschal mit dem Online-Rechner der Versorgungsausgleichskasse erfolgen könnte.[4]  Dieser steht dem Gericht und allen Beteiligten zur Verfügung und ermöglicht eine Berechnung und Kontrolle in wenigen Minuten.

Ergibt sich bei identischen biometrischen Annahmen eine Wertdifferenz zwischen der Höhe des vom Ausgleichspflichtigen abzugebenden Anrechts zu dem beim externen Versorgungsträger zu begründenden Anrecht von mehr als den verfassungsrechtlich tolerablen 10 %, muss der Ausgleichswert so erhöht werden, dass die Toleranzgrenze (wohlgemerkt wiederum unter der Annahme identischer biometrischer Annahmen) nicht überschritten wird. Der danach festgestellte - erhöhte - Ausgleichswert fließt im Wege der externen Teilung nun an den vom Ausgleichsberechtigten gewählten Zielversorgungsträger.

Abschaffung der externen Teilung durch die Hintertür?

Das Bundesverfassungsgericht hat somit nicht in Frage gestellt, dass die externe Teilung verfassungsgemäß ist. Das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Ehegatten an einer „gerechten Teilung“ der während der Ehezeit erworbenen Vermögensgegenstände für die Altersversorgung  wiegt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes aber schwerer, als die Interessen des Arbeitgebers an einem aufwandsneutralen Ausgleich und dem Schutz vor der Aufnahme betriebsfremder Personen in sein Versorgungssystem.

Die verfassungskonforme Auslegung der externen Teilung kann die freie Wahl des Arbeitgebers zwischen der internen und externen Teilung erheblich einschränken. Aufgrund des erforderlichen zusätzlichen Aufwands, der den Arbeitgeber zwingt, Wertverluste auszugleichen, die nicht in seiner Sphäre begründet sind, kann der Arbeitgeber gezwungen sein, die interne Teilung zu wählen. Damit hat das vorlegende Gericht sein Ziel, die externe Teilung zumindest zurückzudrängen, teilweise erreicht.

Und wer zahlt die Zeche?

Das Bundesverfassungsgericht hat die Zulässigkeit eines Wertverlustes unter anderem auch damit begründet, dass auch bei einer internen Teilung Kosten anfallen, die zu einer Wertminderung des Anrechts führen.[5] Sieht sich der Arbeitgeber gezwungen aufgrund des zusätzlichen Aufwands die interne Teilung zu wählen, sollten die Kosten der internen Teilung gemäß § 13 VersAusglG in Zukunft detailliert nachgewiesen und in Rechnung gestellt werden. Der von den Gerichten[6] akzeptierte pauschale Ansatz von 500 € deckt in keinem Fall die Kosten der Bewertung des Anrechts des Ausgleichsberechtigten und die lebenslange Auszahlung der Rente.

Und wie immer ist die bAV-Welt deutlich komplexer als der Einzelfall…

Nachstehendendes Beispiel zeigt die künftig erforderlichen Berechnungsvorgänge für die verfassungskonforme Auslegung der externen Teilung.

 

Beispiel zur Ermittlung eines verfassungskonformen Ausgleichsbetrags bei externer Teilung

 

Ausgleichspflichtiger:

Geschlecht: männlich

Alter: 50 (*1970)

Rentenanpassung: 1,75 % p.a.

BilMoG-Zins Eheende: 1,87 %

Ehezeitliche Rente, mtl.: 200 €

Hälftige ehezeitliche Rente, mtl.: 100 € (Ausgangsversorgung)

Ausgleichswert: 17.735 €

                                                                                       

  1. Einzahlung in die Versorgungsausgleichskasse (Unisex-Tarif)

Einzahlung in die Versorgungsausgleichskasse mit identischen biometrischen Annahmen

17.735 €

resultierende monatliche Rente

80,26 €

Verlust im Vergleich zu hälftigen Ehezeitrente

19,7 %

 

Der Transferverlust aufgrund der Zinsdifferenz, konservativen Rechnungsgrundlagen und Kosten beträgt 19,7 %.

 

  1. Anpassung des Ausgleichswertes

Die Begrenzung des Transferverlustes auf 10 % erfordert eine Erhöhung des Ausgleichsbetrags durch den Arbeitgeber um 12,1 %. In der Handelsbilanz des Arbeitgebers führt somit die Scheidung des Arbeitnehmers  zu einem Mehraufwand von 2.152 €. Zusätzlich zu den ohnehin schon vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Berechnung des Ausgleichswertes, werden ihm nun noch die Kosten des Transferverlustes aufgebürdet.

 

  1. Zahlung des erhöhten Ausgleichswertes

Die Zahlung des erhöhten Ausgleichswertes führt nun - abhängig vom tatsächlichen Alter der Ausgleichsberechtigten -  zu unterschiedlichen Effekten:

Einzahlung in die Versorgungsausgleichskasse

19.887 €

19.887 €

19.887 €

Ausgleichsberechtigte ist

gleich alt

3 Jahre jünger

10 Jahre jünger

monatliche Ausgleichsrente (mit Überschüssen)

90 €

95 €

108 €

Minderung zur hälftigen Ehezeitrente

10,0 %

5,0 %

- 8.0 %

 

Da der Versorgungsträger künftig erst im laufenden Verfahren den zu leistenden Ausgleichswert kennen wird, bleibt es ihm unbenommen, dann noch auf die interne Teilung umzuschwenken.

 

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[1] BVerfG Urteil vom 26.05.2020 – 1 BvL 5/19 – Rn 78

[2] BGH Beschluss vom 24.08.2016 - XII ZB 84/13 -

[3] Aussetzungs- und Vorlagenbeschluss des OLG Hamm vom 09.10.2018 – II -12 UF 12/19

[4] https://www.va-kasse.de/Online-Rechner/

[5] BVerfG Urteil vom 26.05.2020 – 1 BvL 5/19 -

[6] BGH, Beschluss vom 18.03.2015 - XII ZB 74/12