Bereits dreimal gelangte die gesetzliche Rente im Bundestagswahljahr 2021 prominent in die Presse. Weitrechende Reformgedanken in den Wahlprogrammen der Parteien trugen allerdings nicht dazu bei. Wir werfen einen Blick auf die Schlagzeilen und wagen einen ernüchternden Ausblick auf politische Vorhaben in der kommenden Legislaturperiode in der wichtigsten Säule der Altersvorsorge.
Die gesetzliche Rente im Wahljahr - Von Steuerlast und Renteneintrittsalter
Urteil: Keine doppelte Besteuerung der gesetzlichen Rente
Am 19.05.2021 hat der Bundesfinanzhof in zwei Urteilen die Besteuerung der gesetzlichen Rente als verfassungskonform bestätigt. Es liege keine generelle doppelte Besteuerung vor. Die Frage stellte sich deshalb, weil im Jahre 2005 die Besteuerung der Rente durch das Alterseinkünftegesetz geändert und damit schrittweise bis 2040 von einer vorgelagerten zu einer nachgelagerten Besteuerung umgestellt wurde. In den Übergangsjahren steigt der Teil des Einkommens, den Arbeitnehmer:innen später von ihrer Rente versteuern müssen kontinuierlich an. Im Gegenzug können Arbeitnehmer:innen Jahr für Jahr höhere Beträge als Versorgungsaufwand von der Steuer abziehen. Die Kläger monierten eine Belastung ihrer Rente mit Steuern sowohl in der Beitragsphase als auch in der Bezugsphase. Der BFH wies die Klagen in letzter Instanz ab.
„Nullrunde!“ – 2021 keine Rentenerhöhungen in Westdeutschland
Ebenfalls im Mai hat der Bundesrat der zuvor durchs Bundeskabinett beschlossenen Rentenwertbestimmungsverordnung 2021 zugestimmt. Damit verbleibt der Rentenwert West in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.07.2021 unverändert bei 34,19 Euro. Den Rentnern kommt hierbei die im Jahr 2009 eingeführte Rentengarantie zu Gute. Die für die Bestimmung der Rentenanpassung relevante Lohnentwicklung war in 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie negativ und hätte somit zu einer Verminderung der gesetzlichen Rente geführt. Stattdessen bleiben die West-Renten konstant. Der Rentenwert Ost hingegen steigt aufgrund der Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern auf das Westniveau zum 01.07.2021 um 0,72 % auf 33,47 Euro. 2025 wird der Angleichungsprozess abgeschlossen und der Rentenwert einheitlich sein.
Vorschläge zur Rentenreform – kommt die Rente mit 68?
Der wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat am 7. Juni ein Gutachten zum Thema „Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung“ vorgelegt. Seitdem erfährt ein Thema aus dem Gutachten in der Berichterstattung besondere Aufmerksamkeit: Die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 68 Jahre. Dabei ist diese Zahl nicht unmittelbar in den Empfehlungen aufgeführt: Vielmehr soll als erster Pfeiler der Reformstrategie die Veränderung der Lebenserwartung nach einem festgelegten Verhältnis sowohl die Erwerbs- als auch Rentenbezugszeit beeinflussen, sodass bei den derzeitigen Prognosen zum Anstieg der Lebenserwartung das Rentenalter etwa im Jahr 2042 auf 68 Jahre ansteigen müsste. Bei einer fallenden Lebenserwartung hingegen würde das Rentenalter entsprechend sinken.
Der Beirat prognostiziert schockartig steigende Finanzierungsprobleme in der Rentenversicherung ab dem Jahr 2025. Sollten die beiden Haltelinien (Versorgungsniveau der „Standardrente“ von mindestens 48 % und maximaler Beitragssatz von 20 %) unverändert fortgeführt werden, müsste bereits im Jahr 2045 mehr als die Hälfte des gesamten Bundeshaushalts für die Rentenversicherung aufgebracht werden. Für den zweiten Pfeiler seiner Reformstrategie zeigt der Beirat zwei Wege auf, die das Rentensystem grundlegend verändern würden: der erste Weg besteht darin, die Bestandsrenten nur noch mit der Kaufkraft zu dynamisieren und damit von der Lohnentwicklung zu entkoppeln. Der zweite Weg beinhaltet die Einführung eines degressiven Zusammenhangs zwischen Rentenzahlbetrag und Entgeltpunkten. Hierbei würde mit steigender Anzahl an insgesamt erreichten Entgeltpunkten der Rentenwert pro Entgeltpunkt abnehmen.
Und was machen die Parteien daraus? Ein Blick in die Wahlprogramme
Grundsätzlich findet sich wenig Konkretes in den Wahlprogrammen der großen Bundesparteien zur gesetzlichen Rente. Wenig überraschend, dass man die über 20 Mio. Rentner:innen im Land mit unpopulären Maßnahmen nicht verschrecken möchte. Kurzsichtig könnte man es aber auch nennen vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der prognostizierten Finanzierungsprobleme.
CDU/CSU jedenfalls möchten das Renteneintrittsalter bei 67 Jahren belassen und setzen auf alle drei Säulen der Alterssicherung (also auch betrieblich und privat). Die private Vorsorge soll ein kostengünstiges Standardprodukt erhalten, in das möglichst alle Bürger:innen im Rahmen eines Opt-Out Modells einzahlen (automatische Teilnahme, außer man widerspricht, also „optiert heraus“).
Die SPD will das Versorgungsniveau von 48%, wie es auch zurzeit in der „doppelten Haltelinie“ festgeschrieben ist, auch längerfristig nicht unterschreiten und lehnt eine Anhebung des Renteneintrittsalters ebenso ab. Die Riester-Rente erachtet man als gescheitert und auch die SPD fordert ein alternatives, neues Standardprodukt. Beamte und Freiberufler sollen in die gesetzliche Rente aufgenommen werden.
Auch Die Grünen möchten das Versorgungsniveau von 48 % nicht unterschritten sehen. Der Eintritt in den Ruhestand soll jedoch zeitlich flexibler erfolgen können, also auch schon vor, oder eben auch nach dem 67. Lebensjahr. Das ist zwar aktuell auch schon möglich, soll aber vereinfacht werden. Finanzierungsengpässe sollen über die Steuer ausgeglichen werden. Die Aufnahme von Freiberufler:innen und Co. in die gesetzliche Rente ist auch Ziel der Grünen. Sie prägen dafür den Begriff „Bürgerversicherung“. Die Grundrente soll ausgeweitet werden.
Die FDP will das Renteneintrittsalter flexibilisieren. Wer mit 60 Jahren Ansprüche hat, die die Grundsicherung überschreiten, soll selbst entscheiden können, wann die Rente beginnt. Neu ist die Idee der Einführung eines demographischen Faktors, der die Generationengerechtigkeit gewährleisten soll. Private und betriebliche Vorsorge sollen erleichtert werden. Ein Teil der Beiträge zur gesetzlichen Rente soll verpflichtend in eine kapitalmarktnahe Vorsorge fließen.
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